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Jan Sinning

Kunst aus Leidenschaft
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Beispiel

Entfernt sich die Kunst von uns?

Entfernt sich die Kunst von uns? 04.12.2023

Ich finde die Frage, was Kunst überhaupt ist, relativ spannend und nicht so einfach, wie sie klingt. Zwar nicht die Frage, auf die ich hinaus möchte, jedoch ein Einstieg, um meinen Gedanken zu verstehen. Um auf die Frage hinauszukommen, warum viele das Gefühl haben, dass sie Kunst in großen Teilen von ihnen in der Moderne entfernt haben, und ob dieses Symptom von einem größeren Problem ist, muss ich erstmals ein paar andere Meinungen von mir vorlegen zum Thema Kunst.

Als Erstes erwähne ich: Die Kunst, für mich gleichzusetzen mit meinem Grund zu existieren. Es ist ein persönliches Bild, das ich vielleicht auch zum Selbstschutz aufgebaut habe, um irgendwie einen Grund in alles zu stecken, sich aber nach und nach immer weiter gefestigt hat. Unser Leben ist ein komplexes System mit vielen Fakten, die man einfach akzeptieren muss, um ruhig leben zu können. Unsere Erde dreht sich durch eine unsichtbare Kraft um einen riesigen Feuerball. Wir Menschen haben die Fähigkeit zu reden entwickelt, weil … ja keine Ahnung (vielleicht mal ein interessantes Thema für einen anderen Beitrag). Es gibt einige sogenannte Axiome in der Wissenschaft, Tatsachen und Grundlagen, die einfach feststehen, auf die wir antworten müssen mit „Ja, das ist so und es ist so, weil es eben so ist.“ Zwar will man in der Philosophie diese Axiome nicht akzeptieren, die Regel ist eher, dass es keine ultimative Antwort auf deine Frage gibt, weil du sonst falsch gefragt hast, und doch wäre es so schön, mal Antworten zu haben.
Das Erschaffen der Kunst kann man hier teilweise als Axiom sehen. Durch die Tatsache, dass der Mensch schon seit der Steinzeit Kunst erschafft, zeigt das dieser Drang zum Erschaffen tief in uns stecken muss, wenn es jene Linie ist, welche schon immer existiert.
Am Ende jedoch ist Kunst trotz der Tatsache, dass es eine Konstante ist, vor allem eine Flucht für viele, eine Flucht aus einem System, das wir nie verstehen werden. (Dafür müssen wir die Kunst auch nicht in Gänze verstehen)


Viele Menschen haben die Meinung, keine Kunst zu mögen bzw. diese nicht zu verstehen. Sie versuchen sich zu begründen und sehen nicht ein, dass so viel Kunst in ihrem Alltag steckt, dass die Flucht so schwierig ist. Die meisten meinen nämlich mit dieser Aussage nicht den Begriff der Kunst: Sie meinen die Kunst der Intellektuellen, die Kunst, die sich nicht erklärt und die Kunst, welche sich teilweise von der Schönheit entfernt.
Wenn ich durch das Kunstmuseum Bonn laufe (behandelt vor allem die Moderne), ohne mich zu informieren was wo steht, bin ich erstens relativ hilflos und zweitens bleibe ich nur selten wirklich lange und bewusst stehen. Es ist ein Phänomen, das ich immer wieder mitbekomme. Die Menschen fühlen sich von der Kunst distanziert. Das Museum ist beeindruckend gebaut, verwinkelt und doch offen, es ermöglicht ständig neue Blickwinkel auf die Werke (weshalb ich das Museum hier auch nicht kritisieren will).
Wieso fühle ich mich dann nicht mitgenommen? Ich komme später hierauf zurück.

 

Um den Einstieg zu finden, definieren wir erstmals Kunst, was leicht klingt und mich jetzt seit Jahren an den Rand des Wahnsinns treibt, denn vor allem durch das Aufkommen von AI „Kunst“ wird diese Frage so relevant wie lange nicht mehr.
Einige von euch sollten schon von Kunstwerken gehört haben, wie z. B. die schmutzige Toilette (genauer ein Pissoir), welche einst in eine Ausstellung (als nicht-Ausstellung betitelt) von Marcel Duchamp gestellt wurde. Ein Schlüsselwerk der modernen Kunst und ein schönes Beispiel zur Frage vom Kunstbegriff. Auf das Werk und den Diskurs, ob es wirklich von ihm ist, werde ich sehr gerne mal beiseite wischen. Durch das reine Kippen vom Pissoir und der Betitlung Fontäne statt Urinal entfremdet er das Objekt und will es hierdurch zum Kunstwerk erheben, aber ist dies so einfach? Marcel Duchamp stellt somit fest, dass alleine durch die Tatsache, dass er sagt: Es ist Kunst, und wir es als Kunst betrachten, hinterfragen, Kunst entsteht. Indem Moment, wo wir es hinterfragen, entsteht es. Fountain wurde zu einem der wichtigsten Kunstwerke des 20. Jahrhunderts.
Ob dies berechtigt ist, ob ein Pissoir Kunst ist, stelle ich hier einfach mal in den Raum und nehme mir lieber die Aussage, welche Dechamp weiterhin äußerte.
Ich bin interessiert an Ideen, nicht an visuellen Produkte.“ (Frei von mir übersetztes Zitat von Dechamp.)
Wenn Künstliche Intelligenz heutzutage nämlich in Minuten „Kunst“ erschaffen kann, was für einen Wert haben noch Künstler? Zwar könnten wir uns wieder an Dechamp richten, da dieser zuvor schon als Beispiel galt, der hier wieder frei übersetzt sagte, dass er sich nicht für die Kunstwerke interessiert, sondern für die Künstler dahinter. Für mich meint er hiermit weniger „Wow, Menschen sind cool, ich will die kennen lernen“, als dass die Motivation hinter einem Kunstwerk das Werk zur Kunst erhebt.
Hier muss man nochmal betrachten, dass ein Bild, eine Skulptur, ein Text noch lange keine Kunst sind. Wenn ich ein Bild male, Fähigkeiten Jahre erlernt habe, um das zu können, und es wunderschön wird, ist nun die Frage; Ist das Kunst? Ich will hier keinen Maler und Autor oder sonstiges an den Pranger stellen, seine Fähigkeiten als wertlos betiteln, aber wenn alles, was nur schön aussieht, Kunst ist, wird der Begriff „Kunst“ zu einem Wort mit immer weniger Bedeutung.
Man könnte meinen, dass ich sagen will, dass nun jedes Kunstwerk einen gesellschaftlichen Kontext, eine tiefere Bedeutung braucht, aber nicht ganz.
Ich denke, Kunst zeigt sich in verschiedenen Gesichtern, und einem Werk die Bedeutung zuzuschreiben, wenn es etwas aussagen will, ist relativ leicht, jedoch führt es auch zum Gedanken, dass jedes Werk ohne große Aussage keine Kunst ist.

Ich würde es aber eher ausdrücken, dass ein Werk ohne Seele gleichzusetzen ist mit einem Werk für die Sinne, aber weder für Verstand noch für´s Herz (Der Romantiker spricht in mir). Die Seele kann sein, dass du Licht liebst, Reflektionen liebst und den Menschen zeigen willst, wie du die Welt siehst (Monet, Van Gogh), es kann ein philosophisches, gesellschaftliches Thema behandeln (oben erwähnt Dechamp), kann die Kunstwelt durch Tiefe und Betrachtung alter Muster revolutionieren (Vermeer) Doch vor allem muss es dein Kunstwerk sein. Denn egal wie theoretisch all das klingt, ist Kunst immer noch die Kunst eines Menschen, welcher sie erschaffen hat.
Und nach einem viel zu langen Teil über die Kunst, der jedoch noch viel länger gehen könnte, nähern wir uns immer weiter der Frage, wieso sich nun die Gesellschaft so stark distanziert fühlt von Kunst.
Kurz gesagt: Kunst ist anstrengend geworden.
Lang gesagt: Während die moderne Kunst vieles Interessantes gebracht hat, brachte es auch Ansichten, dass Kunst schwierig sein muss. Wie oft sieht man im Theater noch wirklich Veränderung? Man spielt zwar immer seltener neue, stark geschriebene Stücke, durch einen größeren Wert auf die Gefühle und Ausdrucksweisen vom Theater etc., jedoch, wenn man was spielt, sind es meist modernisierte Klassiker. Während die einen mitgenommen sind, schreckt es auch einige ab durch die reine Tatsache, dass sich die Theaterwelt abgrenzt. Sie arbeitet gegen sich durch den Wunsch, starke Kunst zu erschaffen.
Vordere ich also das Theater mehr, wie Popcorn-Kino wird?

Nein! Es ist gut, was im Theater passiert, und es können interessante Dinge geschehen beim Stück, doch … kurz noch Geduld.
Ich vordere hier ehrlicherweise gar nichts und Spiegel nur wieder, was ich sehe, und das ist eine Kunstwelt, welche sich selbst verliert.
Um mehr Beispiele zu nennen, bevor ich zu meinem Punkt komme, sollte man sich auch eine andere große etablierte Kunst ansehen:
Literatur: Es wird wirklich viel gelesen, und das will ich nicht kritisieren, jedoch ist die Literatur langweilig geworden, die Literatur ist fast immer das Wiederkäuen von dem, was funktioniert, oder etwas Hochkomplexes von sich zu geben, was nur wenige lesen wollen. Diese Menschen sehen sich dann als große Autoren, während schon Dostojewski zu seiner Zeit schreibt, dass es immer wieder Leute gibt, welche Ideen erneut schreiben, die sich an Altem orientierend, jedoch gibt es nun selten jene Menschen, welche einen neuen Gedanken haben.
Nicht zitiert, sondern aus meiner Erinnerung heraus zeigt dies sehr gut meine Meinung.

Bücher können toll und intelligent geschrieben sein, jedoch ist es dieses eine Buch, welches einen eigenen Gedanken vertritt, welches mich abholt.
Somit bin ich zwar stark voreingenommen zur modernen Literatur (obwohl ich zu ihr gehöre), doch ein Buch aus Freude zu lesen ist nichts Schlechtes und hält den Verstand sicherlich teilweise fit, doch Kunst? Weiß nicht ob das übereinstimmt.
Doch es gibt sie, die Bücher, die Nobelpreise bekommen, wertvolle Aussagen haben – aber wenige wollen sie lesen. Wieso aber? Ich denke nicht, dass die Gesellschaft verblödet oder sonst irgendein Mist ist, es ist einfach eine gelangweilte Gesellschaft welche sich dann doch lieber berieseln lässt, statt „Kunst“ zu betrachten, welche dann doch nicht immer eine eigene Idee hat.
(Alles etwas negativ ausgedrückt, geht ja aber auch um ein eher negatives Thema.)

Und dann gehe ich also in die moderne Kunstausstellung, teilweise nicht unbeeindruckt, es gibt Momente, in denen ich doch mal stehen bleibe und diese so abstrakten Werke auf mich wirken lasse, und es geschieht was. (Ich bezeihe mich endlich auf das erwähnt Kunstmuseum Bonn)
Ist also all die Kritik, auf die ich hinaus will, obsolet?

Ich gehe durch einen Gang, rechts aus dem Fenster hinaus sehe ich zerstörte Autos, links von mir einen abgesperrten Bereich, eine Leiter und ein Werkzeugkasten stehen dort. An der Decke ist ein Loch, wohin die Leiter führt.
Durch die Räume zuvor und die Motivation mich auf all das einzulassen, denke ich kurz darüber nach worauf die Künstler hinaus wollten, bis ein Arbeiter über die Absperrung steigt, den Werkzeugkasten mitnimmt und mir klar wird, dass Links kein Werk war. Zu meiner linken war nur eine Leiter und ein Werkzeugkasten.

Das wirkt leicht satirisch, doch will ich hier nicht die Moderne verteufeln, nur veranschaulichen, dass selbst ich, der sich darauf eingelassen hat, früh Absurditäten erlebte. Mir wurde bewusst:
Selbst wenn es Kunst ist, ist es diese Kunst, welche die Gesellschaft will?
Sublime beschreibt ein erhabenes Gefühl, ein Gefühl über pure Schönheit hinaus. Caspar David Friedrich (auch für die, die sich nicht auskennen, unbedingt mal Bilder von ihm angucken, sind mega) fängt diese oft in seinen Bildern ein, doch vor allem, weil immer eine Sache da ist, ein Mensch, der dieses Gefühl der Sublime fühlen kann.

Kunst, die nicht gesehen wird, ist keine Kunst, und wieso ist es dann die Moderne, die nicht mehr versucht gesehen zu werden?
Schönheit und Kunst müssen nicht dasselbe bedeuten, aber Schönheit und Kunst können Hand in Hand gehen. Wenn ich will, dass jemand mich sieht, muss ich etwas geben, damit er mich sehen will.
Man kann niemandem seine Kunst aufdrängen, doch man kann nicht verlangen als Autor, dass der Normbürger sein 1000-Seiten-Werk ohne jegliche Geschichte und ohne jeglichen Ansatz, den er verstehen kann, lesen will.
Es gibt jene seltene Fälle von Autoren, welche so stark fordern und ein Buch erschaffen, das für die Ewigkeit gemacht ist (Der Mann ohne Eigenschaften, Ulysses etc.), doch sind das Ausnahmen von Ausnahmen, von ein paar der größten.
Kunst splittet sich auf, in das, was alles will, und das, was die Intellektuellen wollen. In das Popcorn-Kino und das vier Stunden Epos.
Muss das schlecht sein?
Nein, beides hat sein Publikum.
Muss die Kunstwelt sich also so entwickeln, wie sie es getan hat?
Vielleicht? Am Ende gibt es keine klaren Antworten. Es gibt aber die klaren Antworten der Gemeinschaft um mich herum, dass sie im Stadl in Frankfurt nicht in die Abteilung der Modernen Kunst gehen würde, weil es lächerlich wäre.
Lächerlich würde ich es nie beschreiben. Es hat eine Daseinsberechtigung, jedoch finde ich es schade, dass die Kunst bei der Suche nach sich selbst die Schönheit vergisst, vergisst, dass sie nur existiert, wenn jemand sie sieht.

Ich glaube nicht, dass sich in den nächsten Jahren was ändern wird. Es werden weiterhin Künstler abstruse Sachen machen, um sich auszudrücken, jedoch vergessen, jemanden abzuholen, der nicht in ihrem kleinen, privilegierten Kreis ist. Wer weiß, wohin sich die Kunstwelt noch entwickeln wird, ob sich in zwanzig Jahren die Leute immer noch mit Farbe und Nägeln bewerfen lassen, ohne was dazu zu sagen, oder ob sie eine neue Ausdrucksweise finden.
Wird es besser?
Keine Ahnung.
Was soll sich ändern?
Keine Ahnung.
Warum all das?
Weil Kunst zu uns allen gehört, egal ob wir es wollen oder nicht, und es nicht zu meinem Bild der Kunst passt, dass sie sich von der Gesellschaft entfernt.

Um diesen Beitrag positiv zu beenden, muss ich erwähnen, dass ich jede Kunst respektiere und viele Künste auch liebe. Kunst hat mein Leben geprägt wie nichts anderes. Niemand muss Kunst studieren oder einen Blogbeitrag lesen, um Künstler zu sein. Kunst ist manchmal halt einfach das erhabene Gefühl, welches wir haben, wenn wir sie sehen.

und somit eine angenehme Restwoche.

Jan

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